Die Quantenphysik hört nicht auf, uns zu überraschen. Die neueste Errungenschaft von Wissenschaftlern aus Wien bringt uns dem Verständnis der ungewöhnlichsten Formen der Materie näher. Das von den Forschern durchgeführte Experiment könnte unsere Vorstellung von den grundlegenden Gesetzen, die die Mikrowelt regieren, verändern.
Forscher der Technischen Universität Wien haben ungewöhnliche Atomstrukturen genutzt, um einen exotischen Zustand der Materie zu erzeugen. Eine Schlüsselrolle spielten dabei Atome, die auf unvorstellbare Größen vergrößert wurden, die das Hundertfache eines typischen Wasserstoffatoms übersteigen. Dank ihnen gelang es, ein Phänomen zu erzeugen, das Physiker seit Jahrzehnten fasziniert.
Was sind Zeitkristalle?
Die Idee stammt vom Nobelpreisträger Frank Wilczek. Im Jahr 2012 vermutete er die Existenz von Strukturen, die nicht in Raum, sondern in Zeit eine Regelmäßigkeit aufweisen. Das Merkwürdigste an diesen Gebilden ist ihre Eigenständigkeit: Die Teilchen beginnen ohne äußere Einwirkung rhythmisch zu schwingen. Stellen Sie sich ein Pendel vor, das sich ohne Aufzug bewegt.
Viele Jahre lang existierten Zeitkristalle hauptsächlich in der Theorie. Erst kürzlich durchgeführte Experimente haben bestätigt, dass es sich dabei um ein reales Phänomen handelt. Interessanterweise wurden sie sogar in erstaunlich einfachen Systemen beobachtet.
Ein ungewöhnlicher Rohstoff: Rydberg-Atome
Diese riesigen atomaren Strukturen entstehen unter extremen Bedingungen. Wissenschaftler kühlen normale Atome fast auf den absoluten Nullpunkt herunter und beschießen sie dann mit genau abgestimmten Laserstrahlen. Die Wirkung der Photonen stößt die Elektronen auf eine Entfernung, die mit typischen Bahnen nicht zu vergleichen ist. Das Ergebnis? Das Rubidiumatom erreicht eine Größe, die mit einer kleinen Kugel vergleichbar ist.
Genau diese enorme Größe ist ausschlaggebend für den Erfolg des Experiments. Bei solchen Größenordnungen werden die Wechselwirkungen zwischen den Atomen extrem stark. Das Team der TU Wien benötigte nur einen einzigen Laserstrahl, um zwei Elektronen gleichzeitig zu manipulieren.
Statisches Experiment. Dynamisches Ergebnis
Das Seltsamste an dem ganzen Experiment war seine scheinbare Einfachheit. Wie Thomas Paul aus der Forschungsgruppe betont, erhielt das System keine rhythmischen Impulse. Die Intensität des Laserlichts blieb unverändert.
Das Geheimnis lag in der genauen Wahl der Frequenz. Der Laser regte gleichzeitig zwei verschiedene Rydberg-Zustände in jedem Atom an. Dies hatte einen unerwarteten Effekt: Es entstand eine spontane Rückkopplungsschleife. Die Atome begannen von selbst zwischen den Zuständen zu schwingen und erzeugten ein geordnetes zeitliches Muster.
Trotz der konstanten Laserleistung begann das durch die Versuchskammer hindurchtretende Licht in perfekt gleichen Intervallen zu pulsieren. Die riesigen Atome verwandelten sich in einen stabilen Zeitkristall. Es ist schwer, von einem solchen Phänomen nicht beeindruckt zu sein, auch wenn die praktische Anwendung noch in weiter Ferne liegt.
Wie geht es nun weiter?
Das Wiener Experiment liefert Werkzeuge für die Erforschung kontinuierlicher Zeitkristalle. Präzise, selbsttragende Schwingungen könnten eines Tages in ultrapräzisen Sensoren Anwendung finden. Rydberg-Atome haben sich übrigens bereits in ähnlichen Anwendungen bewährt.
Dies ist zweifellos ein Schritt vorwärts im Verständnis der Quanten-Seltsamkeiten. Physiker haben eine neue Forschungsplattform erhalten, die näher an Wilczeks ursprünglicher Idee liegt als frühere Umsetzungen. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass es vom Labor bis zur Praxis noch ein langer Weg ist – man sollte optimistisch bleiben, aber keine übertriebenen Erwartungen haben. Wer weiß, welche seltsamen Zustände der Materie noch auf ihre Entdeckung warten?